Pflegeelternrat fordert weiter reichende Maßnahmen für einen besseren Schutz der Kinder

Erneut schwere Misshandlungen eines Kindes unter Aufsicht des Jugendamtes – Pflegeelternrat fordert weiter reichende Maßnahmen für einen besseren Schutz der Kinder

Hamburg, 14.01.2016

Die letzten Wochen haben deutlich gemacht, dass der Kinderschutz in Hamburg trotz veränderter Vorgaben für die Behörden noch immer auf tönernen Füßen steht. Der Tod des kleinen Tayler nur wenige Tage vor Weihnachten machte viele Menschen in Hamburg fassungslos. Fast genau zwei Jahre nach dem gewaltsamen Tod der kleinen Yagmur ist mit Tayler am 19.12.2015 erneut ein Kind in seinem Elternhaus getötet worden, das unter Betreuung des Jugendamtes stand. Gestern wiederum wurde bekannt, dass mit dem kleinen Deljo erneut ein Kind, das zuvor aus der Familie genommen wurde, nach seiner Rückkehr durch Misshandlungen im Elternhaus zu schwerem Schaden gekommen ist. Zum Glück überlebte der kleine Junge in diesem Fall, wenn auch schwer verletzt.

Der Pflegeelternrat fordert die politisch Verantwortlichen der Freien und Hansestadt Hamburg auf, endlich konkrete und weiter reichende Maßnahmen zum Schutz der Kinder zu ergreifen:

  • Es muss wieder ein zentrales Landes-Jugendamt unter Leitung der BASFI geben.
  • Das Kindeswohl muss im Fokus stehen, insbesondere bei ungeklärterGewalteinwirkung müssen an die Rückführung und regelmäßige Überwachungstrengere Maßstäbe angelegt werden.
  • Die Schnittstellen im unmittelbaren Helfernetzwerk müssen reduziert undwieder mehr Fälle direkt durch den ASD betreut werden.

Aus unserer Sicht muss nun endlich wieder ein zentrales Landes-Jugendamt unter Leitung der BASFI eingerichtet werden“, fordert Volker Krampe, Sprecher des Pflegeelternrates Hamburg. Im Zuge der Aufarbeitung der Tragödie um Yagmur sind eine Reihe eindeutiger und mit Blick auf den Kinderschutz sinnvoller Vorschriften und Prozesse geändert worden. Sollen diese die gewünschte Wirkung im Kinderschutz entfalten, ist es unabdingbar, dass diese Vorgaben systematischen Eingang in Alltag und Praxis der Jugendhilfe finden. „Deshalb fordern wir ein Umdenken in Hamburg auch jenseits der politischen Entscheidungsträger und regen eine wirkliche Strukturreform der Jugendhilfe an“, so Krampe. „Die BASFI sollte aus unserer Sicht nicht nur die Richtlinienkompetenz im Kinderschutz haben, sondern darüber hinaus auch die Umsetzung der Richtlinien durch eine zentrale Landesbehörde sicherstellen.“

Des Weiteren muss aus Sicht des Pflegeelternrates das Wohl des Kindes stets im Mittelpunkt stehen. Das Drama um den kleinen Tayler zeigt, dass selbst zwei Jahre nach dem Tod der kleinen Yagmur wesentliche Standards im Hamburger Kinder- und Jugendschutz immer noch nicht ausreichend verankert sind. Offensichtlich besteht nach wie vor die unheilvolle Tendenz, Kinder auch dann in ihre Herkunftsfamilie zurückzuführen, wenn hinlängliche Anzeichen für eine weiterhin bestehende Gefährdung unübersehbar sind.

Dies ist spätestens seit der politischen Aufarbeitung des Behördenversagens bei Yagmur und daraus folgenden neuen fachlichen Vorgaben nicht mehr zulässig. „Jegliche Entscheidungen müssen mit Fokus auf das Kindeswohl erfolgen, insbesondere bei ungeklärter Gewalteinwirkung müssen an die Rückführung und regelmäßige Überwachung maximal hohe Anforderungen gestellt werden, um die Kinder zu schützen“, fordert Krampe.

Noch immer wird die Vorgabe des Bundesgesetzgebers, dass in den relevanten Entscheidungsprozessen das Kindeswohl das ausschlaggebende Kriterium ist, in vielen Fällen in Hamburg nicht umgesetzt. Wie schon bei den behördlichen Verfehlungen im Fall Yagmur zeigt sich auch im Zuge der erfolgten Entscheidungen im Zusammengang mit der Rückführung des kleinen Tayler, dass das Kindeswohl von den Fachkräften regelmäßig in eklatanter Weise unrealistischen Erwartungen leiblicher Eltern und offensichtlich missverstandenen Elternrechten untergeordnet wird: „Es stimmt im höchsten Maße nachdenklich, dass demokratisch entwickelte rechtliche Vorgaben und die gelebte Praxis in den Jugendämtern zwei weitgehend voneinander unabhängige existierende, geschlossene Systeme zu sein scheinen“, konstatiert Krampe.

Es wurde in den vergangenen Jahren in Hamburg viel gestritten und diskutiert über die personelle Ausstattung, maximale Fallobergrenzen sowie über Abstimmungsprozesse auf Grund der hohen Anzahl von Schnittstellen bei der Betreuung von Kinderschutzfällen. „Wir fordern Rahmenbedingungen in Hamburg, die eine aktivere Beteiligung der ASD Fachkräfte an der eigentlichen Sozialarbeit vor Ort in den Familien erreicht, damit durch persönliche Erfahrung und persönliche Eindrücke ein realistischeres Einschätzen der Gefährdungslage von Kindern ermöglicht wird.“ Dies wird zusätzliche Ressourcen erfordern und größere Veränderungen bedeuten. Bereits die letzten Monate haben jedoch gezeigt, dass Erlass neuer Fachanweisungen und

Vorgaben mit Blick auf den Alltag von Behörden und freien Trägern zu kurz zu greifen scheint. Erforderlich ist nach unseren Erfahrungen und Bewertungen eine generelle strukturelle Veränderung der Hamburger Jugendhilfe, um sicherstellen zu können, dass die rechtlichen Maßstäbe ihre Wirkung entfalten können.

Der Pflegeelternrat Hamburg wird sich weiter wieder aktiv an der Aufarbeitung der neuen, tragischen Fälle und der Verbesserung der Rahmenbedingungen beteiligen. Hamburg muss seine Kinder endlich besser schützen.

Ansprechpartner und Pressekontakt:

Volker Krampe
E-Mail: vk@freunde-der-kinder.de

Karen Dabels
E-Mail: kd@freunde-der-kinder.de

Dr. Marcus Bradtke-Hellthaler
E-Mail: bradtke-hellthaler@pflegeelternrat.de